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Zurückverweisung durch das Berufungsgericht wegen unterlassener Beweiserhebung in erster Instanz

Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 11.11.2011 - 10 U 3109/11 von Joachim Francke, Fachanwalt für Sozialrecht und Medizinrecht, RAe Francke & Partner, Düsseldorf

Gegenstand dieses Verfahrens sind Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus Arzneimittelhaftung. Das beklagte Pharmaunternehmen brachte das Medikament Vioxx im November 1999 in Verkehr und musste es am 30.09.2004 wegen des Verdachts auf ein erhöhtes Infarktrisiko wieder vom Markt nehmen. Die auf Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gerichtete Klage hat das Landgericht München erstmals durch ein Urteil vom 12.08.2008 zurückgewiesen, ohne medizinische Sachverständige gehört zu haben. Das Landgericht vertrat in diesem ersten Verfahren die Auffassung, die Klägerin habe die erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen und die Einnahme des Medikamentes nicht ausreichend dargelegt und unter Beweis gestellt. Auf die hiergegen eingelegte Berufung hat das Oberlandesgericht München entschieden, dass es für eine Klage wegen Arzneimittelschäden ausreichend ist, wenn vorgetragen wird, dass ein bestimmtes Medikament während einer bestimmten Zeit eingenommen worden ist und dass die Einnahme dieses Medikaments ursächlich für den behaupteten Arzneimittelschaden ist. Auf die entsprechenden Beweisanträge sei das Gericht verpflichtet, Beweis durch ein medizinisches Sachverständigengutachten zu erheben (vgl. OLG München, Urteil vom 24.04.2009 - 10 U 4645/08). Auf diese erste Zurückverweisung hat das Landgericht die Ärzte vernommen, die die Klägerin behandelt haben sowie eine schriftliche Zeugenaussage eines behandelnden Arztes verwertet. Ohne das vom Oberlandesgericht geforderte medizinische Sachverständigengutachten einzuholen, hat das Landgericht die Klage erneut abgewiesen, weil es meinte, dass die Einholung medizinischer Sachverständigengutachten nicht notwendig sei. Die Ausführungen der behandelnden Ärzte seien derartig klar und eindeutig, dass das Gericht die entscheidungserheblichen Fragen auch ohne weitere ärztliche Sachkunde selber beurteilen könne. Gegen dieses zweite Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt. Auch dieses zweite Urteil des Landgerichtes wurde durch das Oberlandesgericht München aufgehoben und an das Landgericht zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes erneut darauf hingewiesen, dass ein Gericht nur ausnahmsweise ohne Einholung eines medizinischen Gutachtens entscheiden dürfe, wenn es über eigene medizinische Sachkunde - zum Beispiel durch eine medizinische Ausbildung eines Richters - in der Lage ist, die medizinischen Sachverhalte selbst zu beurteilen. Medizinische Fachliteratur könne nur herangezogen werden, um die Richtigkeit medizinischer Gutachten zu überprüfen. Hierzu sei der Richter verpflichtet, er dürfte aber selber keine eigenen medizinischen Feststellungen treffen. Das besprochene Urteil zeigt, dass sich viele Gerichte im Interesse einer Beschleunigung der Verfahren über die Rechtsprechung des Bundesgerichteshofes hinwegsetzen, nach der über medizinische Fragen in aller Regel ein ärztliches Sachverständigengutachten einzuholen ist. Der rechtsuchenden Partei ist durch eine derartige Vorgehensweise aber nicht geholfen, da durch eine Aufhebung und Zurückverweisung unnötige Verfahrenskosten entstehen. Der Prozessbevollmächtigte sollte daher im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich als Beweisantrag zu Gerichtsprotokoll erklären, dass er auf die Einholungen eines Gutachtens bestehe.

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Fachanwalt Joachim Francke
Francke & Partner Rechtsanwälte
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Homberger Straße 5
40474 Düsseldorf

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