Logo Fachanwaltssuche
Von Experten beraten.
Rechtsgebiet z.B. Arbeitsrecht
Ortz.B. Köln, 50968

Medizinrecht: Urteile zu selbsternannten Gutachteninstituten

Anmerkung zu LSG Chemnitz, Beschluss vom 01.09.2010 - L 6 U 222/09 B von Joachim Francke, Fachanwalt für Sozialrecht und Medizinrecht, RAe Francke & Partner, Düsseldorf

Wenn in einem sozialrechtlichen oder zivilrechtlichen Verfahren medizinische Fragen zu klären sind, ist der Richter auf die Einholung von Sachverständigengutachten angewiesen. Die Beurteilung von medizinischen Fragen aus eigener Sachkunde ist dem Richter nur gestattet, wenn er ausnahmsweise neben der juristischen auch über eine medizinische Ausbildung verfügt. Die Quelle der medizinischen Sachkenntnis muss im Urteil im Einzelnen festgelegt werden. Medizinische Gutachten werden nicht nur von Gerichten, sondern auch von Versicherungsträgern benötigt. Die hohe Anzahl zur Klärung medizinischer Fragen benötigter Sachverständigengutachten hat dazu geführt, dass sich Ärzte bei ihrer Tätigkeit schwerpunktmäßig auf die Gutachtenerstellung verlegt haben. Um mit diesem Tätigkeitsschwerpunkt auch werbewirksam an die Öffentlichkeit treten zu können, bezeichnen sich einige Gruppierungen von Ärzten als "Gutachteninstitute". Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch wird der Begriff "Institut" zumeist von wissenschaftlichen Zwecken dienenden Einrichtungen, insbesondere wissenschaftlichen Betriebseinheiten von Hochschulen verwendet. Die Verwendung dieser Bezeichnung durch Einrichtungen, die wissenschaftliche Zwecke nicht verfolgen, ist von der Rechtsprechung als irreführend angesehen worden (vgl. OLG Frankfurt Beschluss vom 27.04.2001 - 20 W 84/01). In dem vom Landessozialgericht Chemnitz entschiedenen Fall lehnte der Kläger den Arzt eines derartigen "Instituts für medizinische Begutachtung" mit der Begründung als befangen ab, dass sich aus den werbenden Angaben dieses Instituts ergebe, dass es seine Tätigkeit schwerpunktmäßig auf Gutachten für gesetzliche und private Versicherer ausgerichtet habe. Hieraus resultiere eine wirtschaftliche Abhängigkeit und wirtschaftliche Verflechtung mit Versicherern, die weit über die üblichen geschäftlichen Kontakte hinausgingen. Das Landessozialgericht Chemnitz hat den Befangenheitsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass aus der objektiven Sicht des Prozessgegners die Bezeichnung als Gutachteninstitut noch nicht ausreichend sei, um Zweifel zu erwecken, ob eine wirklich unabhängige Begutachtung erfolgen werde. In Übereinstimmung mit der Oberlandesgericht Köln hat es ausgeführt, dass nicht einmal ein häufiges Tätigwerden für den konkreten Prozessgegner für sich alleine ausreichend sei, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Anders hatte die Frage noch das Landgericht Köln beurteilt, dass von einer Befangenheit ausging, wenn der Sachverständige einen Prozess gegen die Versicherung ganz überwiegend im Auftrag von Versicherungsgesellschaften tätig werde (vgl. LG Köln, Beschluss vom 15.01.2004 - 23 T 1/04). In dem Urteil wird zwischen persönlicher und fachlicher Kritik an dem gerichtlichen Sachverständigen unterschieden. Nach Auffassung des LSG Chemnitz ist nur bei persönlicher Kritik an dem Sachverständigen ein Befangenheitsgrund gegeben. Bei fachlicher Kritik hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit der medizinischen Bewertung zu erfolgen. Da die rechtsuchende Partei in aller Regel beweispflichtig ist, hilft ein Befangenheitsantrag nicht weiter, weil mit der Ablehnung eines Sachverständigen kein Beweis für die anspruchsbegründenden Tatsachen geführt werden kann. Somit erscheint eine fachliche Auseinandersetzung mit dem unrichtigen Gutachten eines sogenannten Gutachteninstituts zielführender, weil damit die Notwendigkeit dargestellt werden kann, das Gutachten eines unabhängigen Sachverständigen einzuholen ist. Bei fachlichen Fehlern des Gutachtens wird sich das Gericht dieser Argumentation nicht verschließen können.

(6 Bewertungen)
Fachanwalt Joachim Francke
Francke & Partner Rechtsanwälte
Fachanwalt für Medizinrecht
Fachanwalt für Sozialrecht
Homberger Straße 5
40474 Düsseldorf

War dieser Beitrag für Sie hilfreich?

Eigene Bewertung abgeben:
Bisher abgegebene Bewertungen:
4.166666666666667 / 5 (6 Bewertungen)
Das könnte Sie interessieren
Sozialrecht , 28.06.2018 (Update 03.04.2023)
Ob spezielle Hörgeräte, Bildtelefon oder Therapiestühle: Krankenkassen lehnen in vielen Fällen die Kostenübernahme von medizinischen Hilfsmitteln ab. Wir haben Ihnen einige Urteile zusammengestellt, die zeigen, welche Hilfsmittel von der gesetzlichen Krankenkasse übernommen werden müssen, und welche nicht.
3.3703703703703702 / 5 (54 Bewertungen)
Medizinrecht , 28.02.2012
Rechtsanwalt Joachim Francke Francke & Partner Rechtsanwälte
Anmerkung zu OLG München, Urteil vom 11.11.2011 - 10 U 3109/11 von Joachim Francke, Fachanwalt fü...
4.0 / 5 (4 Bewertungen)
Verkehrsrecht , 15.09.2015 (Update 21.10.2022)
Nicht nur Autofahrer verlieren ihre Fahrerlaubnis, wenn sie mit zu viel Promille im Blut erwischt werden, auch Fahrradfahrern drohen Fahrerlaubnisentzug und Strafverfahren.
3.55 / 5 (40 Bewertungen)
Medizinrecht , 15.02.2016 (Update 25.03.2024)
Schwerstkranke Patienten können von ihrer Krankenkasse unter bestimmten Voraussetzungen die Kostenübernahme für eine Cannabis-Therapie verlangen – nach einem aktuellen Gerichtsurteil aber nur dann, wenn enn der behandelnde Arzt eine umfassende und im hohen Maße sorgfältige Einschätzung abgegeben hat.
3.3488372093023258 / 5 (43 Bewertungen)
Wissen Aktuell , 22.08.2018 (Update 08.09.2023)
Eine lang ersehnte Urlaubsreise wegen Krankheit absagen zu müssen, ist ärgerlich. Ein kleiner Trost ist es für den vermeintlichen Urlauber, wenn er eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen hat und so zumindest nicht auf den Reisekosten sitzen bleibt. Doch Vorsicht, die zahlt längst nicht bei allen Erkrankungen.
3.3333333333333335 / 5 (15 Bewertungen)
Medizinrecht , 10.09.2019
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Ein ärztlicher Behandlungsfehler besteht dann, wenn ein Patient Schaden nimmt, weil er von seinem behandelnden Arzt nachweislich nicht nach anerkanntem und gesichertem Standard der medizinischen Wissenschaft behandelt wurde. Assistensärzten muss aus diesem Grund während ihrer Ausbildung immer ein Facharzt zur Seite stehen, um die Patientensicherheit zu gewährleisten.
3.75 / 5 (28 Bewertungen)
Medizinrecht , 03.04.2018 (Update 03.04.2018)
Rechtsanwalt Christoph Kleinherne Dollinger Partnerschaft Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte
Wenn es nach der jeweiligen Sachlage „medizinisch zweifelsfrei geboten“ gewesen wäre, weitere Befunde einzuholen und der Arzt dies unterlässt, ist ihm ein Befunderhebungsfehler anzulasten.
3.875 / 5 (8 Bewertungen)
Medizinrecht , 18.04.2017
Die Kosten für eine Lasik-Operation an den Augen sind von einer privaten Krankenversicherung zu tragen, wenn die Fehlsichtigkeit des Patienten eine Krankheit darstellt. Dies entschied kürzlich der Bundesgerichtshof.
4.0 / 5 (1 Bewertungen)
Familienrecht , 24.04.2017
Transsexuelle Menschen können ihre Geschlechtszugehörigkeit und ihren Namen gerichtlich nur ändern lassen, wenn zwei Sachverständigengutachten vorliegen. Dies entschied kürzlich das Oberlandesgericht Hamm.
4.0 / 5 (1 Bewertungen)
Medizinrecht , 23.01.2012
Rechtsanwalt Joachim Francke Francke & Partner Rechtsanwälte
Anmerkung zu VG Gießen Berufsgericht für Heilberufe, Urteil vom 16.11.2009, 21 K 1220/09.GI.B vo...
4.0 / 5 (2 Bewertungen)
Strafrecht , 14.11.2018
Ein mittlerweile pensionierter Bundeswehrbeamter saß unschuldig wegen sexuellen Missbrauchs an seiner Pflegetochter 683 Tage im Gefängnis. Weil das zur Verurteilung führende psychologische Gutachten nicht den wissenschaftlichen Standards entsprach, wurde die Gutachtern nun zu 60.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt.
4.0 / 5 (5 Bewertungen)
Suchen in Rechsbeiträgen
Kanzlei
Francke & Partner Rechtsanwälte
Anschrift
Homberger Straße 5
40474 Düsseldorf
0211 / 176 88 - 0
0211 / 176 88 - 20
Anwaltstermin planen
Kontaktformular / Rückruf
Unser Rückruf ist kostenlos und völlig unverbindlich.
E-Mail/Internet
francke@eurojuris.de

Kontakt
drucken

Visitenkarte
(VCF)

Visitenkarte
(QR-Code)
Datenschutzeinstellungen
fachanwaltsuche.de verwendet Cookies, um die Funktionsfähigkeit unserer Website zu gewährleisten. Außerdem setzen wir zur Weiterentwicklung unserer Website im Sinne der Nutzer zusätzliche Cookies ein. Mit dem Klick auf den Button „Cookies zulassen“ stimmen Sie der Verwendung der von uns für die genannten Zwecke eingesetzten Cookies zu. Über den Button „Einstellungen verwalten“ können Sie sich über die eingesetzten Cookies informieren und den Umfang Ihrer Einwilligung konfigurieren.