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Tax Compliance zwischen Unternehmen und Verwaltung

In diesem Artikel wird der Themenbereich "Tax Compliance" erläutert.

1. Begriffsklärung Tax Compliance bedeutet für Unternehmen ein bez. steuerlicher Normen strategisch abgesichertes Befolgungssystem. Nicht erst Schadens- und Haftungsnormen (Sekundäransprüche) sondern am Beginn der Risikobewertung stehende leistungsbezogene Primäransprüche bestimmen das Handeln für eine vorsorgende Abgabengerechtigkeit. Die Finanzverwaltung sieht das Ziel von Tax Compliance in der Motivation der Steuerpflichtigen, Vorschriften sachlich richtig, aufkommensgerecht und mit sinkendem Kontrollbedarf zu erfüllen. Es geht um die Steigerung der Effektivität des Gesetzesvollzuges. Die Verwaltung geht über den Eingriffscharakter hinaus und setzt auf eine freiwillige Steuererfüllungspflicht. 2. Grundsätze Aus Unternehmenssicht hat Tax Compliance steueroptimierende, informierende, haftungs- und strafvermeidende sowie vertraulichkeitsgeprägte Elemente. Die Steueroptimierung trägt dem Anliegen Rechnung, möglichst wenig Steuern zu zahlen. Informationssysteme betreffen Wissensquellen und Anwendungsformen abgabenbezogener Sachverhalte. Die Haftungsvermei-dung dient dem Ausschluss jeglicher Risiken für eine Inanspruchnahme für die Steuern dritter Personen, etwa Arbeitnehmer, Subunternehmer oder Kunden. Weil z.B. eine Betriebsausgabe nicht abgezogen werden kann, wenn deren Empfänger nicht benannt wird (§ 160 AO), ist eine zeitnahe Beweissicherung einzuhalten. Strafvermeidende Gesichtspunkte stellen die Grenze zur rechtswidrigen Behandlung von Abgabenpflichten dar. Tax Compliance definiert die Vorbereitung möglicher Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen von Unschuldsvermutung und staatlicher Beweislast. Eine Befolgungsstrategie definiert, wer Wissensträger und Adressat von Steuerinformationen ist. Für die Finanzverwaltung stehen Informations- und Datenfragen im Mittelpunkt. Sie will effiziente und einfach zu bearbeitende Systemdaten erhalten. Während historisch eine strikte Legalität im Vordergrund stand, wird in den Planungen der Finanzverwaltung die steuerliche Belastungsgleichheit durch das Verifikationsprinzip sicher gestellt, deren Herzstück die Betriebsprüfung ist. Seit 2008 ist die elektronische Übermittlung von Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen vorgesehen. Eine Erarbeitung von Bilanzkennziffern wird weiter entwickelt. Das Ziel ist eine risikoorientierte Betriebsprüfung. Sie soll einen effizienten Prüfungsablauf und eine effiziente Auswahl der zu prüfenden Unternehmen sichern. Hierbei soll das Kooperationsmodell, etwa in Gestalt der tatsächlichen Verständigung, helfen. Am Anfang der verwaltungsseitigen Tax Compliance steht die Plausibilitätskontrolle des Steuerfalls. Sie setzt sich mit Nachprüfung, Betriebsprüfung und Schlussbesprechung fort. Kooperationselemente sind die Möglichkeit, eine verbindliche Zusage zu beantragen oder eine tatsächliche Verständigung zu erreichen. Der größenabhängige Prüfungsturnus unterliegt festgelegten Grundsätzen für den Datenzugriff einschließlich der prüfereigenen ERP-Navigation. Es erfolgt eine Informationssammlung, eine Fortschreibung der Prüfungsauswertung und eine ständige interne Kontrolle zur verbesserten Befolgung von Steuernormen. 3. Umsetzung Mit dem Wissen des Unternehmens um Sanktionen entsteht das steuerliche Pflichtengefüge. Dieses leitet sich aus Verfahrens- und materiellen Steuervorschriften ab. Im Rahmen der Tax Compliance wird die Normenbefolgung ausgelagert oder selber, ggf. unter Einschaltung von Dienstleistern, wahrgenommen. Ein Auswertungsprozess bündelt die Kenntnis über die Funktionen der beteiligten Verwaltungsstellen. Zu diesem Prozess gehört die Klärung von Bestandskraft unter Einschätzung eines Vorbehalts der Nachprüfung oder Vorläufigkeitsvermerks und die Bedeutung eines Einspruchsverfahrens. Für den Bereich der Ertragsteuern (Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer) richtet sich die kontrollierende Überprüfung auf Einnahmen und Ausgaben sowie Bilanzierungsposten. Ein Schwerpunkt sind verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen, ferner die Zinsschranke. Für die Umsatzsteuer ist an Vorsteuern, Subunternehmer, steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferungen und an eine zeitnahe Beweisvorsorge für den Vorsteuerabzug zu denken. Bei der Lohnsteuer ist auf das individuelle Prüferrecht zu achten. Die Auswertung möglicher Steuernachlässigkeiten und Selbstanzeigen ist zu bedenken sowie, wer in welchen Situationen Gesprächspartner für den Betriebsprüfer ist. Für die Steuerfahndung muss eine eindeutige Zuständigkeit der Leitungsorgane bestehen. Hier sind Präsenzpflichten von Personen und Unterlagen und Fragen des Datenzugriffs, des Beistands für Mitarbeiter und des Verhaltens bei Beschlagnahmen zu regeln. Tax Compliance muss auch die persönlichen steuerlichen und steuerstrafrechtlichen Verhaltensanforde-rungen der Organmitglieder und der Mitarbeiter im Blick haben. Bei einer Tren-nung von Mitarbeitern ist das steuerliche Erpressungspotenzial auszuwerten. Für die Korruptionsabwehr ist der steuerliche Umgang mit nützlichen Abgaben - Schmiergeldzahlungen - zu regeln. Umfasst sind auch Gewinn- und Funktionsverlagerungen sowie Verrechnungspreise. Die Betriebsprüfung der Finanzverwaltung kann mit Nachteilen verbunden sein. Aufgrund der jahrelangen Prüfungsdauer entstehen auf Seiten aller Beteiligten hohe Administrationskosten für den Zugriff auf ERP-Systeme. Diese Zeitverzögerung geht mit Nachzahlungszinsen von 6 % p. a. einher. Bei regelmäßigen Verfahrensintervallen von mehr als fünf Jahren haben diese hohen Nachforderungszinsen im Kern eine Druckfunktion, da der Staat seinen kameralistisch gemessenen Liquiditätsverlust ökonomisch nicht als Gewinnausfall bezeichnen kann. Der verwaltungsseitigen Tax Compliance steht mit der Neufassung des § 274 HGB eine erhebliche Rechtsunsicherheit entgegen. Buchwertunterschiede zwischen handels- und steuerlichen Wertansätzen, die sich in späteren Perioden angleichen, sollten im Rahmen von Betriebsprüfungen zeitnah - und eben nicht erst nach vielen Jahren - in die Bilanzpositionen aufgenommen werden. Bei der steuerlichen Betriebsprüfung ist auf den Einsatz sogenannter Shared Service Center hinzuweisen. Arbeitsplätze werden an Servicestandorte verlagert, was zu einem Verlust an administrativem Wissen und zu Dokumentationsaufwand führt. Die gewollte Effizienzsteigerung der Finanzverwaltung ist u.a. auf dieses Phänomen der Globalisierung noch nicht eingerichtet. Zusammenfassung Das steuerliche Befolgungssystem Tax Compliance - für Unternehmen zur Vorbeugung vor Haftungsrisiken, für die Finanzverwaltung zur Steigerung der Effektivität - gleicht einem Stammbaum, in dem alle Blätter, Zweige und Äste durch eine andauernde Risikobewertung auf eine strategische Störungsunanfälligkeit ausgerichtet werden.

von Rechtsanwalt Johannes Jeep

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